Musikelektronic Geithain TS56KSP

Es gab eine Zeit direkt nach der “Wende”, als sich im Osten plötzlich Märkte öffneten und alle Welt Waren in die neuen Bundesländer verkaufen wollte. Mit dem Verkauf von Waren aus der ehemaligen DDR sah es eher schlecht aus, daher brach die dortige Industrie ziemlich drastisch zusammen. Es gab aber ein kleines (gallisches Dorf – Verzeihung, passt aber so gut) Städtchen in Sachsen, von wo aus sich auf fast unheimliche Art und Weise Waren nach Westdeutschland und dann recht schnell auch in alle Welt verbreiteten, die zudem auch noch recht teuer waren! Es handelte sich um die Studio-Abhörlautsprecher der Firma Musikelectronic Geithain, die in fast schon explosiver Weise den Markt eroberten – und das alles ohne großartiges Marketing, etwas, nehme ich mal an, mit dem in Geithain bis zur Wiedervereinigung auch gar nicht vertraut war, weil es nicht benötigt wurde.

Firmengründer und Chefentwickler Joachim Kiesler baute mit diesen Lautsprechern sehr zielsicher genau das, was Studiobetreiber und Toningenieure sich vorstellten. Mit der neuen Beschallungsserie ist MEG seit einigen Jahren angetreten, Beschallungslautsprecher anzubieten, die ein den Studiomonitoren vergleichbares Klangbild aufweisen und sich daher speziell für anspruchsvolle Beschallungsaufgaben eignen.

TS56KSP

Mit der TS56KSP haben wir hier also eine Beschallungsbox im Test, die von dem Studiomonitorhersteller Musikelectronic Geithain stammt. Da fragt man sich natürlich, ob es denn selbstverständlich ist, dass ein Studiomonitorhersteller auch gute Beschallungsboxen bauen kann. Die Frage stellt sich mir aktuell nicht mehr, denn ich hatte vor einigen Jahren andere Lautsprecher dieser Serie ebenfalls im Test, und da habe ich gelernt: Sie können es tatsächlich. Doch nun mal ran an die Box!

Der Buchstabe “K” in der etwas sperrigen Typenbezeichnung TS56KSP ist das einzige, was man sich merken muss, denn er bedeutet, dass die Box ein kardioides Abstrahlverhalten, also eine Nierencharakteristik, im Bass hat. Ohne dieses “K” ist sie eine normale Bassreflexbox. Ansonsten lassen die Buchstaben und Zahlen für mich eigentlich auf nichts Konkretes schliessen. Das ist auch egal.
Die Box hat zwei Wege, und sie arbeitet aktiv, also auch mit zwei eingebauten Endstufen. Der Bassweg ist mit einem 10″-Konuslautsprecher bestückt, der Hochtonweg mit einem linearen Array aus acht 1″-Kalottenhochtönern. Die Kalottenhochtöner sind, wie man auf den Bildern sieht, auf einem Metallstreifen direkt vor dem Bass montiert und bilden somit eine Art koaxiales Gesamtsystem. Vielleicht sollte man das Wort “koaxial” hier nicht so streng sehen, denn normalerweise verbindet man damit einen Hochtöner, der direkt im Zentrum eines Konuslautsprechers sitzt.
Nimmt man den Begriff koaxial (“eine gemeinsame Achse besitzend”) wörtlich und versteht darunter einen Lautsprecher, bei dem die Hauptabstrahlachsen von Tiefmittel- und Hochtöner – hier: Hochtonarray – zusammenfallen, dann stimmt es wieder.
Sinn und Zweck der Koaxial-Konstruktion ist es ja, innerhalb des Nenn-Abstrahlbereiches das Lautsprechers ein möglichst konsistentes Klangbild aufrechtzuerhalten. Bei Mehrweglautsprechern, bei denen die Tiefmittelton- und Hochtonchassis nebeneinander auf der Schallwand montiert sind, entstehen wegen des räumlichen Versatzes unterschiedliche Schall-Laufzeiten zwischen den einzelnen Wegen und dem Hörer, je nachdem unter welchem horizontalen und vertikalen Winkel zur Hauptabstrahlachse man seine Abhörposition wählt.
Koaxial-Lautsprecher haben im Gegensatz zu solchen konventionell aufgebauten Mehrwege-Lautsprechersystemen den Vorteil, dass auch im Übernahmebereich der Frequenzweiche die Schallabstrahlung in allen Richtungen weitestgehend frei von interferenzbedingten Einbrüchen oder Anhebungen ist. Dies ist speziell dann wichtig, wenn die Beschallungsaufgabe die Anforderung stellt, einen größerer Raumwinkelbereich mit einem Lautsprechersystem abzudecken.


Koaxial-Lautsprecher haben zudem auch den Vorteil eines selbst im Nahfeld sehr homogenen Klangbildes, weil der komplette Schall innerhalb des Nutz-Frequenzbereiches quasi von einer Punktschallquelle abgestrahlt wird. Das ist ja eben der Grund, warum Koaxial-Systeme auch gern als Studiomonitore eingesetzt. In Theater-, Musiktheater- und Musicalanwendungen ist das erwähnte, sehr interferenzarme Abstrahlverhalten ein Vorteil. Speziell in Räumen mit nicht optimierten oder aus Denkmalschutzgründen nicht beliebig bearbeitbaren Raumakustik sind sehr gute Koaxialsysteme wegen ihres unkomplizierten Abstrahlverhaltens im praktischen Betrieb oft gutmütiger als die klassischen Beschallungslautsprecher mit direkt abstrahlendem Tiefmittelton- und horngeladenem Hochtonweg. Der Hauptgrund für den Einsatz von Koaxiallautsprechern liegt dann in eben dieser homogenen Abstrahlung und häufig auch in einer Klangfärbung von Hornsystemen.


An dieser Stelle können wir aus einem früheren Projektbericht den damaligen Leiter der Abteilung Ton bei den Vereinigten Bühnen Wien, Matthias Reithofer, zitieren, der uns allgemein zu seinen Gründen für den Einsatz von Koaxialsystemen – speziell in Musiktheatern – folgendes sagte:
“Ich habe mich von Anfang an ganz bewusst und relativ unabhängig von der Raumakustik für einen Koaxiallautsprecher entschieden, zum einen wegen des sehr homogenen Abstrahlverhaltens über den gesamten Abstrahlwinkel. Zum anderen bin ich kein großer Fan von Hornlautsprechern im Musical-Bereich und Musik-Theater, wo die Sprachverständlichkeit immer noch im Vordergrund steht. Ich mag die typischen Klangverfärbungen nicht besonders, die durch die Hornkonstruktion im Hochtonbereich auch on-axis auftreten.
Außerdem weisen Hornlautsprecher konstruktionsbedingt meist ein inhomogenes Abstrahlverhalten auf; der von Herstellern angegebene Abstrahlwinkel trifft im Hochtonbereich im Gegensatz zu den Koaxiallautsprechern praktisch nie ganz zu, sondern ist meist viel enger. Letzlich haben sich die Koaxiallautsprecher auf Grund der oben angeführten Vorteile auch als besonders günstig in Hinblick auf die Raumakustik herausgestellt.”

Hochtöner-Array: Hier sind die Höchtöner gut sichtbar. Man sieht deutlich, wie extrem kompakt so ein Neodym-Tweeter ist. Ohne diese winzigen Abmessungen bei gleichzeitig besseren Magneteigenschaften wäre eine solche Box schlicht unmöglich. In dieser Ansicht ist auch die Krümmung deutlich sichtbar, die eine akustische Funktion hat und das Mitschwingen bei Bassimpulsen verhindert.


Bei Koaxial-Lautsprechern gibt es immer einen Deal, einen Kompromiß, der die Zusammenarbeit von Tiefmittel- und Hochtonweg betrifft. Der Hochtöner soll gut funktionieren, soll aber die Schallabstrahlung des Tiefmitteltonchassis möglichst nicht stören. Bei der TS56KSP ist der Hochtonteil in Form eines Kalottenhochtöner-Arrays auf einem leicht gebogenen Metallstreifen angeordnet. Die ganze Anordnung ist so schmal, dass sie die Schallabstrahlung des Tiefmitteltonweges bei dessen höchster Frequenz nicht stört. Das ist dann der Fall, wenn die Breite des Arrays kleiner ist als ein Viertel der Schallwellenlänge (lambda/4) bei dieser Frequenz. Bei diesem Lautsprecher liegt die Trennfrequenz bei 1900Hz, die Wellenlänge also bei 18cm. Ein Viertel davon sind 4,5 cm. Der Steg, auf dem die Tweeter montiert sind, ist nur etwas breiter als 5cm – das passt also ganz gut. Diese kleine Rechnung zeigt uns aber auch, dass man eine solche Box vor der Zeit der Nd-Magneten gar nicht hätte bauen können. Die damaligen Hochtöner mit Ferritmagneten waren flache Chassis mit einem Aussendurchmesser von mindestens 10-12cm. Die Hochtonchassis mit 1″-Kalotte, wie sie hier vorliegt, waren aber noch breiter.
Da kämen wir schon je nach Trennfrequenz fast auf den Betrag der ganzen Wellenlänge. Fast alle Boxen, ungeachtet des Funktionsprinzips, die ich in den letzten Jahren getestet habe, sind erst durch den heutigen Entwicklungsstand der Treiber oder ganz allgemein der Chassis möglich geworden.
Um noch einmal auf das Koaxialprinzip zurückzukommen: Diese Bauweise wird natürlich speziell auch dort verwendet, wo man Wert auf Kompaktheit des Systems legt. Die Abmessungen der Box sind: 455 x 320 x 390 mm. Das kardioide Abstrahlverhalten bedeutet, dass die Bässe nach hinten deutlich abgeschwächt werden. Das hat verschiedene Vorteile: Auf der Bühne wird es leiser, weil kein Tiefton von der Hauptbeschallung hinein”leakt”, das Monitoring auf der Bühne kann so besser funktionieren. Insbesondere regt man durch die nierenförmige Richtcharakteristik auch nicht in unerwünschter Weise architektonische Strukturen wie Hohlräume, Gewölbedecken und dergleichen an, was ungewollt Dröhnen hervorrufen könnte.

Allgemeine Betrachtung

In PROSOUND Nr. 3/2018 gab es auf S. 27 einen Artikel über Partialschwingungen, in dem auch die Doppler-Verzerrungen erwähnt wurden. In diesem Heft ist eine Seite mit einer Diskussion dieser Doppler-Verzerrungen. Wie verhält sich die TS56KSP aus dem Blickwinkel dieser beiden Artikel?
Also, die Höhen sind ohne Frage vor beiden Verzerrungsarten sicher. Die Hochtöner sind zu klein, deren Membranen zu starr und ihre Auslenkung wegen der hohen Anzahl zu gering. Die Dopplerverzerrungen sind ebenfalls sehr gering, auch wegen der hohen Anzahl und der dadurch erreichten niedrigen Einzelbelastung der Tweeter.
Nicht so ganz unproblematisch ist bei allen solchen Boxen der Bass. Aber hier hat man einen 10″-Typ gewählt, der ist schon etwas kleiner als der häufig verwendete 12er. Aber er muss von ganz unten bis 1,9kHz spielen, was das Geschäft nicht einfacher macht. Er hat also beide Verzerrungsarten und damit muss man wohl zunächst einmal leben. Allerdings ist die Box als Einzelbox ohnehin nicht für schwelgerische Bässe konzipiert. Wer also optimale Musikwiedergabe haben will, der braucht einen Subwoofer, so, wie bei es bei allen Zweiwegboxen der Fall ist. Damit ist dann allerdings ein sehr großer Schritt zur Bekämpfung der beiden Verzerrungsarten “Partial” und “Doppler” getan.

Seitenansicht mit Montagepunkt


Als Beschallungsbox muss es Möglichkeiten zur komfortablen Montage geben. Da haben wir hier Anschraubpunkte für eine Gabel. Die Gabelmontage ermöglicht vom Prinzip her eine freizügige vertikale Anwinkelung. Das ist aber bei einer normalen Hochständeranordnung nicht so leicht möglich.

Hochständerflansch mit variablem Anstellwinkel

Deswegen hat man sich für einen speziellen Hochständerflansch entschieden, der in einem gewissen Rahmen, also so, wie es den meisten Locations, wie z.B. Hörsälen entspricht. Auf diesen Hochständerflansch setzt man die Box einfach drauf. Um nun den richtigen Vertikalwinkel zu erreichen, wird die Box leicht angehoben, wie gewünscht geneigt und wieder abgesenkt. Sie senkt sich dann, rastet in dieser Position ein und sitzt nun in dieser Stellung fest. Auf dem Bild sieht man die eigentliche Flanschbuchse (rechts ist hier die Frontseite der Box). Die Box ist nun in der am weitesten nach vorn/unten geneigten Stellung. Neben der Buchse kann man die Zähne sehen, die die einzelnen Stellungen definieren. Da die Box mit ihrem eigenen Gewicht in die ihr zugewiesene Position fällt, kann der Anstellwinkel nur mit Absicht, nicht aber versehentlich geändert werden.
Ich habe das so ausführlich beschrieben, weil die TS56KSP einen sehr streng definierten vertikalen Abstrahlwinkel hat. Da muss es einfach eine bequeme Möglichkeit der Feinabstimmung geben.

Noch ist das Thema “Mechanik” nicht ganz erschöpft. Die Box, die recht leicht ist, hat einen Griff oben und Füsse unten. Das mit dem einen Griff ist voll ausreichend. Aber noch etwas soll erwähnt werden: Die Sicherheit gegen mechanische Einwirkungen (Ballwurf u.s.w.). Das Gitter ist kräftig und gewölbt. Es ist also von sich aus schon stabil. Aber wenn doch etwas passiert, was ist dann mit den Hochtönern hinter diesem Gitter? Die haben ihre eigenen Schutzkappen, die gemäss der Kalottenwölbung geformt sind und somit ebenfalls sehr widerstandsfähig sind. Aus allem raus ist der Basslautsprecher. Der sitzt so tief hinten, dass eigentlich gar nichts passieren kann. Das Gehäuse ist aus Schichtholz und kratzfest beschichtet. Es kann auch in anderen Farben als schwarz geliefert werden.
Deckel und Boden sind leicht angeschrägt. Wer also zwei Boxen übereinander stellt, kann sicher sein, dass die beiden Hochtonkegel sich nicht überlappen, sondern sich im Gegenteil die leichte Krümmung des Hochtonarrays über mehrere Boxen hinweg fortsetzt. Der Sinn dieser Abschrägung ist das Erreichen erstens eines höheren Pegels und zweitens eines vertikalen Abstrahlwinkels des Gesamtsystems von 30°. Die Boxen sind übereinander nicht standsicher. Sie müssen so gesichert sein, dass die obere Box nicht von der unteren herunterrutschen kann.

Elektronik

Die Bestückung der Box ist 1x 10″ im Bass und 8 x 1″ Kalottenhochtöner. Alle Chassis sind mit Nd-Magneten ausgestattet. Zu den Kalotten ist zu ergänzen: Die große Anzahl der kleinen Chassis sorgt für eine Arbeitsteilung, die jedes einzelne Chassis spürbar entlastet. Sie sind auf diese Weise sogar fast immun gegen die unvermeidlichen Dopplerverzerrungen. Auch Partialschwingungen haben hier nur ein geringes Störpotential, eben weil das einzelne Chassis sehr klein ist – und zweitens auch wegen der gut verteilten Belastung.
Die TS 56KSP hat zwei Endstufen, mit jeweils 300W Leistung (max. 450W). Es handelt sich um PWM-Systeme, ansonsten wäre das niedrige Gewicht von 15kg nicht realisierbar. Die Endstufe wird von einem Ventilator gekühlt, der aber so extrem leise läuft, dass er bei Leerlauf und sehr niedrigem Pegel überhaupt nicht hörbar ist. Übrigens trägt die Rückwand mit den Anschlüssen und Bedienelementen zur Kühlung bei. Es ist also besser, sie nicht der prallen Sonne auszusetzen.

Panel des DSP/Verstärkereinschubs des TS 56KPS mit den Ventilationsöffnungen oben und unten, dem Display und den Bedien- und Anschlusselementen. Oben links sind LEDs, die eine wichtige Hilfe beim Einstellen sind.


Die Endstufen werden von Controllern gesteuert. Die Menüs des Controllers lassen sich an der Box selbst programmieren, aber es ist sehr viel bequemer, das am Rechner zu machen. Die Software kann man bei www.me-geithain.de bekommen. Es gibt zwei Menüzweige: Das Preset-Menü und das Kanal-Menü. Sie werden über das Startmenü erreicht. Im Presetmenü werden nur die Presets verwaltet. Den Zugriff auf Audio-Einstellungen findet man im Kanalmenü. Die Vorgehensweise in der Auswahl der einzelnen Fenster ist wohlbekannt, es geht, wie bei den meisten Controllergeräten über eine “NEXT” und eine “BACK”-Taste. Die Auswahl läuft über den Drehgeber, oben rechts, der mit Push und Enter bezeichnet ist. Also Drücken ist der Return auf unserer Tastatur.
Das Preset mit der Werkseinstellung kann nicht überschrieben werden. Somit hat man auch vom Klang her immer eine gewisse Referenz, mit der man seine eigenen Presets vergleichen kann. Ein ungespeichertes Preset zeigt ein Ausrufezeichen (!). Ansonsten sind in diesem Zweig noch die IP-Adresse und die MAC-Adresse zu finden.
Der Upload von Presets mittels der Software “ME Geithain DSP Control” erfolgt im einfachsten Fall über die USB-Schnittstelle, es geht aber auch über die RJ45-Ethernet-Buchse, die die Box mit einem Standard TCP/IP-Netzwerk verbindet.
Das Audiosignal geht über einen XLR-symmetrischen-Anschluss, die Buchse zum Weiterschleifen ist ebenfalls symmetrisch.
So, nun sind alle Anschlüsse beschrieben, die Software ist betriebsbereit, jetzt geht es an das Kanal-Menü.
Es geht los mit dem Gain. Der hat zwei Unterpunkte, Mute und eine Verstärkung von -48dB bis +12dB.
Das Delay Menü ist wiederum unterteilt:

  • 0-800ms
  • 0-900 ft
  • 0-274m

Die drei Punkte sagen eigentlich alle das Gleiche aus, aber es geht ja meist nicht darum, dass großartig eingestellt und gemessen wird, sondern in vielen Fällen bekommt der System­ingenieur einfach nur Vorgaben aus einer Software, und die findet er nun in Fuß, Metern oder Millisekunden vor. Also einfach nur eine Sache des Komforts beim Eintippen.
Die nächste Abteilung sind die Hoch- und Tiefpassfilter. Die sind schon sehr aufwendig ausgeführt und zwar jeweils in drei Fenstern. Die Frequenz des Tiefpassfilters geht von 50Hz (da habe ich mich ein bisschen gewundert, weil ja die untere Grenzfrequenz der Box mit 70-100Hz angegeben ist) bis 20kHz. Die Filtertypen und und -Steilheiten sind bei beiden Filtern (Hoch und Tiefpass) Butterworth und Bessel mit 6, 12, 18, 24dB, bei Linkwitz-Riley12 und 24dB. Zusätzlich kann man die Filter auch komplett wegschalten.
Zur extrem präzisen Signalbeeinflussung dienen die 10 parametrischen Equalizer. Sie ermöglichen eine Amplitudenänderung von -12 bis +12dB. Diese Anhebungen bzw Absenkungen lassen sich von 20Hz bis 20kHz verschieben. Die Filtertypen sind Bell, Notch, High Shelf, Low Shelf, Allpass, Band Pass, High Pass und Low Pass. Eine Anhebung oder Absenkung kann über den Menüpunkt “Q” von ganz breit (0,1) bis sehr eng (25) geformt werden.
Die beiden Dynamikabteilungen “Compressor” und “Limiter” vervollständigen die zur präzisen Audioarbeit notwendigen Fähigkeiten. Der Kompressor hat eine von -48dBu bis +24dBu einstellbare Schwelle. Attack, Hold und Release reichen von einer Millisekunde bis zu 10 Sekunden. Die Ratio geht von 1,20:1 bis unendlich :1, und der Gain von -12dB bis +12dB. Der Limiter hat einen Schwellenbereich von -48dBu bis +24dBu und einen Release von 10 bis 100dB/s.
Auch bei diesem Controller sind Presets und Einstellungen per Password geschützt, wenn man es will.
Die Anbindung an einen Subwoofer ist auch kein Problem, entweder man benutzt einen von Musikelectronic Geithain mit dem speziellen Preset oder, bei Fremdprodukten, muss es eben über die Filter des Controllers laufen.

Sound, Betrieb

Die Box wird von mir unter dem Gesichtspunkt getestet, dass sie nicht für den konzertanten Einsatz mit fetten Bässen gedacht ist. Daher möchte ich zunächst einmal die Bässe als angenehm, eher unauffällig und ruhig bezeichnen. Sie sind für Musikbeschallung der dezenteren Art sehr gut, weil sie nicht direkt nach “Mehr” schreien. Damit kann man sehr gut leben. Für Musikübertragungen stellt man einen Sub darunter, und nun hat man ein komplettes PA-System. Aber darum geht es jetzt nicht. Es geht eher um die Beschallung schwieriger Räumlichkeiten. Die können überall ihre Tücken haben, z.B. ist es immer nützlich, die Beschallung der Decke zu vermeiden, denn dort ist nun mal niemand – außer ggf. raumakustischen Unwägbarkeiten. Aber was ist hinter der Box? Dem standardmässigen Bass ist es egal, wie herum die Box steht, er schleicht sich überall hin und findet vielleicht hinter der Bühne einen Resonanzkörper, der ein laut hörbares und sehr störendes Dröhnen verursacht. Das ist gerade bei Sprach- und Konferenzübertragungen unangenehm. Deswegen hat die Box eine Kardioid-Übertragungscharakteristik. Die dämpft den rückwärtigen Bass. Also wird die TS 56KSP nach draussen geschleppt um das überprüfen zu können. (Im Freien ist so etwas wirklich immer einfacher). Ich höre deutlich, dass es funktioniert, und ich stelle am Pult ein Tiefpassfilter bei 300Hz ein, um das mal rein technisch zu hören, also ohne musikalischen Zusammenhang. Das hätte ich auch an der Box einstellen können, aber am Pult geht es schneller und man ist weiter von der Box entfernt. Ausserdem wollte ich nur den Werkspreset benutzen. Der Bass ist tatsächlich hinten schwächer als vorne, also ist dieser Punkt auch erledigt. Anmerkung: Wer einen Sub drunter stellt, der sollte dann natürlich auch einen Kardioidbass nehmen.
Die eigentliche Beschallungsarbeit wird aber nicht von den Bässen erledigt sondern vom Rest des Übetragungsbereiches. Ich habe mir die Box offiziell ohne Sub angehört, inoffiziell aber mal mit Sub probiert, um naheliegenderweise herauszufinden, dass es sich mit Sub um ein ausgewachsenes Konzertsystem handelt.
Die Tiefmitten, die auch leichte Bassaufgaben mit übernehmen, sind angenehm und sehr sauber, ohne eine Spur von Resonanzen, Dröhnen oder anderen – sagen wir – zeitbedingten Effekten. Sie formen einen guten und der Sprachwiedergabe entgegenkommenden Abschluss nach unten. Die Mitten kann der 10er aber auch sehr gut. Es scheint sich hier um ein Spitzenchassis zu handeln, denn so eine unaufdringliche und gleichzeitig kräftige Mittendarstellung findet man selten. Diese Mitten gehen ganz unbemerkt in den oberen Bereich über. Hier kann man per Gehör kaum wahrnehmen, was von wo kommt. Das dürfte auch an einer speziellen Filterung liegen, bei der die Laufzeiten zwischen der Membran und den davor sitzenden Kalotten herausgerechnet werden. Immerhin weiss man seit Jahrzehnten, dass Filter im Sprachbereich sehr gefährlich sind.
Aber die Firma musikelectronic Geithain beschäftigt sich nun schon geraume Zeit mit diesem Problem und wie die Studiomonitore zeigen, hat man es im Griff.
Beschallungsboxen hört man aber nicht nur von vorn, auch die seitlich sitzenden Leute wollen einen guten Sound. Hier versuche ich herauszufinden, ob sich seitlich irgenwelche hörbaren Phaseneffekte orten lassen. Ich stelle die Box auf einen einfachen Baumarkt-Drehteller und schwenke sie hin und her. Da verändert sich aber nicht allzuviel. Auch das in diese Hinsicht verräterischste Signal, nämlich einfaches Rauschen, bleibt natürlich nicht unverändert, aber insgesamt ist der Effekt so harmlos, dass ich ihn ignorieren kann.
Der Übergang Mitten/Höhen ist perfekt gelungen. Damit bin ich auch schon am Ende, denn weiter oben im Frequenzgang gibt es keinen Übergang mehr. So feine und hochauflösende Höhen kann kaum ein Horn, obwohl ich den Satz vom bewussten Verzicht auf Hornlautsprecher für nicht ganz fair halte, wenngleich eine solche Aussage, wenn sie von MEG kommt, definitiv von sehr viel Hörerfahrung, gerade auch im Studiobereich, geprägt ist. Es gibt allerdings, wenn auch selten, sehr verfärbungsarme und sehr präzise darstellene Mittelhochton-Hörner. Ich hatte zumindest eine entsprechende Box schon hier im Test. Aber, solche Geräte sind natürlich genau so selten, wie die TS56KSP von Musikelectronic Geithain.

Messungen


Frequenzgang horizontal unter 0°, 30° und 60° off-axis

Frequenzgang in 0°-, 30°- und 60°-Richtung horizontal: Der Frequenzgang auf Achse ist sehr ausgewogen und spiegelt den Anspruch des Herstellers wider, eine Beschallungsbox mit einem Regielautsprecher-kompatiblen Sound anzubieten. Die kleine Senke bei 10kHz ist übrigens unerheblich: Bei Koaxialsystemen sieht man in 0°-Richtung wegen der symmetrischen Konstruktion oft Effekte, die bereits bei wenigen Grad off-axis verschwinden und gehörmäßig unerheblich bis unhörbar sind. Bei 30° ist der TS56KSP ebenfalls sehr linear. Bei 60°, also außerhalb des Nenn-Abstrahlwinkels, ist der Pegel deutlich abgesunken, die Box aber immer noch recht linear, was speziell bei ungünstiger Raumakustik klangliche Probleme vermeidet.

Hor. Abstrahlwinkel in Abhängigkeit von der Frequenz

Die Grafik des horizontalen Abstrahlwinkels über der Frequenz zeigt, dass MEG das Abstrahlverhalten auch ohne Schall führungen wie Hörner sehr gut im Griff hat – hier zeigt sich die Erfahrung aus den Regielautsprechern. Unterstützt durch die Kardioidkonstruktion liegt bis ca. 400Hz der Abstrahlwinkel bei ca. 140°-150°. Das Bündelungsverhalten des Konuslautsprechers engt dann diesen Winkel bis zur Trennfrequenz auf das hor. Abstrahlverhalten des Hochton-Arrays ein, das mit einer gewissen Toleranz im Bereich um 90° ganz gut konstant bleibt.

Polardiagramm, horizontal

Schaut man sich die Diagramme für die 4kHz-, 8kHz- und 16kHz- Oktave genauer an, stellt man fest, dass das Abstrahlverhalten nicht immer enger wird, sondern schmal, aber relativ konsistent bleibt. Bei 2kHz, also in der Nähe der Trennfrequenz, hat das Array noch nicht so viel Einfluss, so dass man hier noch viel von der Abstrahlcharakteristik des Tiefmitteltöners sieht.

Polardiagramm, vertikal

Oben: Polardiagramme für das Richtverhalten in der Horizontalen und Vertikalen. Gut zu erkennen ist das relativ ausgewogene Abstrahlverhalten in der Horizontalen, obwohl man bei MEG bewusst auf eine Schallführung durch ein Horn oder Waveguide verzichtet hat. In der Vertikalen dominiert das Richtverhalten durch das lineare Array aus acht Hochtönern.

Richtcharakteristik im Tieftonbereich

Die Messung des Polardiagramms der TS56KSP im Tiefton- bzw. Tiefmittenbereich zeigt den Effekt der nierenförmigen Richtcharakteristik. Ein ganz ähnliches Polardiagramm könnte man auch als Empfangscharakteristik an einem Nierenmikrofon messen.

Das liegt daran, dass das Kardioid-Tieftonsystem der TS56KSP im Prinzip wie ein umgekehrtes Nierenmikrofon funktioniert. Es gibt ein akustisches Prinzip, das sogenannte Reziprozitätsgesetz, nach dem ein elektroakustischer Wandler – umgekehrt betrieben – seine Richtcharakteristik beibehält. Nur der Frequenzgang ist unterschiedlich, weil der Strahlungswiderstand in aller Regel frequenzabhängig ist. Deshalb kann man einen elektrodynamischen Lautsprecher, der eine Nierencharakteristik haben soll, im Prinzip so bauen, wie ein dynamisches Nierenmikrofon – muss den Lautsprecher aber natürlich so abstimmen, dass er den gewünschten Frequenzgang hat.
Die mit Schaumstoff verkleideten Öffnungen auf den hinteren Schrägen der Box entsprechen also im Grunde den rückwärtigen Schalleintrittsöffnungen beim Nierenmikro, nur dass es hier eben Schallaustrittsöffnungen sind. Wie beim Nierenmikrofon sind die Öffnungen mit genau berechnetem Dämpfungsmaterial belegt. Durch die Überlagerung des vom Lautsprecher vorn und von den rückwärtigen Schallaustrittsöffnungen abgestrahlten Schalls entsteht dann die gewünschte Richtcharakteristik im Tief- bzw. Tiefmitteltonbereich, die auch im Polardiagramm gut zu erkennen ist. Diese rückwärtigen Öffnungen müssen im Betrieb immer frei sein, sonst funktioniert die Sache nicht.


Insgesamt darf ich nicht vergessen, auf die sehr genau begrenzte vertikale Abstrahlung der Box hinzuweisen. Denn, was nützt die verfärbungsärmste Lautsprecherbox, wenn sie im Raum ungewollte Resonanzen anregt, die plötzlich alles überdecken, was den guten Klang ausmacht. Die Ausrichtung dieser Box muss wirklich sorgfältig vorgenommen werden, nur dann bekommt man die hervorragende Tonqualität auch dahin wo sie hin soll, nämlich an die Ohren des Publikums. Also, Klarheit ist geschaffen, und zwar in zweierlei Hinsicht: Einmal die Klarheit, die den Klang der Box auszeichnet und dann Klarheit darüber, das Musikelectronic Geithain nicht nur Studiomonitore bauen kann.

Preis TS56KSP in Strukturlack schwarz: 3.055,- Euro zzgl. MwSt.