Stadion Mönchengladbach – Beschallung im Borussia Park

Das Stadion im BORUSSIA-PARK liegt als Zentrum der Area of Sports im Nordpark von Mönchengladbach und ist das vereinseigene Fußballstadion des Fußball-Bundesligisten Borussia VfL 1900 Mönchengladbach.

Im Juli 2004 wurde das Stadion eröffnet, das Platz für insgesamt 54.010 Zuschauern auf 34.933 überdachten Sitz- und 18.883 überdachten Stehplätzen bietet. Im Jahre 2015 wurden zwei neue HD-Videowände mit einer Fläche von 77m² installiert und die inzwischen in die Jahre gekommene Beschallungsanlage erneuert und an die raumakustischen Eigenschaften des Stadions angepasst.

Den Auftrag für die Planung der neuen Beschallungsanlage erhielt das Ingenieurbüro Graner + Partner aus Bergisch Gladbach, Auftragnehmer für die Ausführung der Erneuerungsarbeiten inklusive der erforderlichen Stahl-Sonderbauten war die Wärtsilä FUNA International GmbH mit Bernhard Schönfuß als verantwortlichem Projektleiter. Die Firma dB Technologies lieferte die Lautsprechersysteme für die neue Beschallungsanlage als Sonderbau und stand den Planern unter Federführung von Georg Hofmann bei der Ausführungsplanung der Lautsprecherarrays und ihrer Montage zur Seite.

Stadion Mönchengladbach: Raumakustische Randbedingungen

Beim Stadion Mönchengladbach handelt es sich aus raumakustischer Sicht um ein “hartes” Stadion – wie Fachplaner Andreas Simon von Graner + Partner sich beim Ortstermin in Mönchengladbach ausdrückte. Das bedeutet, im Stadioninnenraum ist relativ wenig Schallabsorptionsfläche vorhanden, mithin werden sowohl durch eine Beschallungsanlage, als aber auch durch das Publikum selbst, relativ hohe Schalldruckpegel erreicht. In Bezug auf das Publikum ist ein solches Verhalten von Seiten der Betreiber oft durchaus erwünscht, weil mit diesen raumakustischen Bedingungen auch bei einem nur teilweise besetzten Stadion relativ schnell eine gute Stimmung aufkommt. Die Fans haben dann akustisch das Gefühl, von dem Geschehen auf den Rängen akustisch eingehüllt zu sein.

Auf der Sollseite steht allerdings die Tatsache, dass mit wenig Absorptionsflächen auch ein ausgeprägter Anteil später Reflexionen zu verzeichnen sein wird. Aufgrund der Geometrie der Räumlichkeit stellen sich diese vielleicht nicht unbedingt als diffuses, isotropes Nachhallfeld im Lehrbuchsinne dar, haben aber vergleichbare Auswirkungen zum Beispiel auf die Sprachverständlichkeit. So etwas ist natürlich nicht unbedingt förderlich, wenn es beispielsweise um Alarmierungsdurchsagen gilt, wenngleich im Spielbetrieb natürlich interessanter ist, dass der erwünschte Effekt auf die akustische Atmosphäre im Stadion erzielt wird.

Eine Beschallung mit vergleichsweise vielen Lautsprechern macht die Angelegenheit nicht unbedingt einfacher, was die Sprachverständlichkeit betrifft, denn es wird sich nicht vermeiden lassen, dass von einem Hörerplatz auf der Tribüne aus nicht nur der unmittelbar “zuständige” Lautsprecher zu hören ist, sondern mit niedrigeren Pegeln auch die Nachbarsysteme.

Stadion Möchengladbach: Drei der insgesamt 12-Line-Arrays.
Drei der insgesamt 12 Line-Arrays aus RCF HL20-WP. Gut zu sehen auch die Sonder-Stahlkonstruktionen zur Aufhängung und Lastverteilung.

Neben einer Modernisierung der Lautsprechertechnik war also ein Ziel der Neukonzeption der elektroakustischen Anlage auch eine Quellenminimierung, die zu einer Verbesserung der Ausgangssituation, speziell im Hinblick auf die gegebene schallharte Charakteristik der Raumakustik, führen sollte. Das neue elektroakustische Konzept arbeitet demzufolge mit nur 12 Lautsprecherarrays mit zusätzlichen besonderen Lösungen für die Versorgung der Kurvenbereiche. Die Lautsprecherarrays als Hauptkomponenten des Beschallungskonzeptes arbeiten mit jeweils 12 Array Elementen, die in Form eines deutlich gecurvten Line-Arrays angeordnet sind.

Dieses Line-Array-Konzept bringt erwünschterweise eine sehr definierte Abstrahlung in Richtung der vertikalen bzw. Längs-Ausdehnung des Arrays. Das hat zur Folge, dass man so in der Lage ist, sehr gezielt nur die mit Publikum besetzten Flächen zu beschallen und umgekehrt unerwünschte Bereiche, die nur unerwünschte Reflexionen beisteuern würden – wie etwa Teile der Dachkonstruktion – gezielt ausklammern kann. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Versorgung für den Ober- und Unterrang individuell einstellen zu können.

Stadion Mönchengladbach Schallwand
Die Schallwand der RCF HL20-WP ist identisch mit der des HDL20-A Arrayelementes.

Diese Quellenminimierung durch Ersatz der zahlreichen Lautsprecher des Bestandssystems durch die genannten 12 Line-Arrays hatte natürlich zur Folge, dass die Montagepositionen der neuen Line-Arrays nicht mit den Hängepunkten der früheren Lautsprecherinstallation identisch waren. Tatsächlich war es wegen der unterschiedlichen Montagepositionen sowie der sich neu ergebenden Konzentration der Belastung auf eine geringe Zahl von Hängepunkten erforderlich, mithilfe von nachträglich eingebrachten Stahlkonstruktionen eine Lastverteilung so vorzunehmen, dass die Installation der neuen Lautsprechersystem auch aus baustatischer Sicht unproblematisch sein würde.

Ebenso war bereits in einer frühen Planungsphase klar, dass man nicht nur die Mechanik der Lautsprecheraufhängung als Sonderbau würde ausführen müssen, sondern dass auch die Lautsprechersysteme selbst nicht von der Stange zu kaufen sein würden. Dies allein schon wegen der Brandschutzvorgaben, die im Rahmen dieses Projektes auch an die Lautsprechersysteme gestellt wurden.

Stadion Mönchengladbach: Lautsprechercluster zur Versorgung der Kurvenbereiche
Konventionelle Lautsprechercluster unter und hinter den Videowalls zur Versorgung der akustisch abgeschatteten Kurvenbereiche.

Tatsächlich wurden die hier verbauten Lautsprechersysteme von der Herstellerfirma RCF für dieses Projekt sozusagen maßgeschneidert, denn bei den Serien-Lautsprechersystemen von denen sie in technischer Hinsicht abgeleitet sind, handelt es sich um Aktivsysteme mit Kunststoffgehäuse, die sicher die Brandschutzvorgaben nicht erfüllt hätten. Wegen der guten Erfahrungen mit den Sonderbauten im vorliegenden Projekt sind diese inzwischen auch als HL 20-WP ein Serienprodukt und Bestandteil des regulären Lieferprogramms von RCF geworden.

Ausgangspunkt für die Lautsprechermodifikation für das Stadion Mönchengladbach war das Line-Array-Element HDL20-A (einen Testbericht finden Sie in PROSOUND, Ausgabe 2/2012). Für die vorliegende Installation wurde von diesem Ausgangssystem im Grunde nur die Schallwand sowie die Schallführung für das Mittel-/Hochtonsystem übernommen. Das ursprüngliche Kunststoffgehäuse wurde durch ein flammhemmend ausgestattetes Holzgehäuse mit 21mm Wandstärke ersetzt, um für das Lautsprechersystem die von der Feuerwehr geforderte Baustoffklasse B1 (schwerentflammbar) zu erreichen.

Auch die verbauten Chassis wurden an die Anforderungen der Mönchengladbacher Installation angepasst, denn die neue Beschallungsanlage sollte auf Wunsch des Kunden und nach Empfehlung des Planers mit Passivlautsprechern arbeiten, um die Verstärkertechnik besser wartbar in Technikzentralen zusammenfassen zu können sowie u.a. eine automatische Havarie-Endstufenumschaltung zu ermöglichen.

Stadion Mönchengladbach Stahlkonstruktionen
Von unten sind die Stahlkonstruktionen besonders gut zu erkennen, die Last jedes Line-Arrays über eine gewisse Tribünendachbreite verteilen.

Da bei diesem Passivbetrieb eine niederohmige Versorgung der Lautsprecher über größere Leitungslängen erforderlich war, hatte der Hersteller RCF auch die Bestückung von der ursprünglichen 4 Ohm Variante mittels entsprechender Komponenten auf einen Nenn- Impendanz von 16Ohm heraufgesetzt, um die im Betrieb auftretenden Stromstärken zu begrenzen und so mit einem Anschlusskabel geringen Querschnitts auskommen zu können. Darüber hinaus wurden auch die Chassis mit Ferritmagneten durch solche mit Neodym-Magneten ersetzt, um das Gewicht des Lautsprechersystems zu reduzieren.

Von der akustischen Grundkonstruktion des Lautsprechersystems her ist sowohl das Vorbild HDL20-A, als auch das von ihm abgeleitete neue Stadionbeschallungssystem HL 20-WP (WP: weatherproof) symmetrisch aufgebaut. Die Schallwand des Stadionlautsprechers mit dem zentralen Mittel/Hochton-Horn und den angewinkelt angebrachten 10″-Tiefmitteltönern wurde vom Vorbild übernommen. Das Horn hat eine Mundöffnung von ca. 22cm x 25cm und wird über einen speziellen Waveguide von einem einzelnen 1,5″-Neodym-Kompressionstreiber vom Typ ND840, mit 3″-Schwingspule und Titanmembran, angetrieben.

Stadion-Mönchengladbach: Under-Balcony-Lautsprecher
Für die Versorgung der durch den überkragenden Oberrang abgeschatte- ten Bereiche wurden zusätzlich 118 Under-Balcony-Lautsprecher verbaut.

Der Waveguide setzt – wie es für Line-Arrays üblich ist – die runde Schallaustrittsfläche des Treibers so auf die schlitzförmige Schallaustrittsfläche des Beugungsspaltes des Horns um, dass von diesem eine kohärente Schallabstrahlung in die Hornsektion erfolgen kann.

Der für dieses Arrayelement verwendete Kompressionstreiber ND480 wird bei 800Hz, also relativ tief, angekoppelt und überträgt so einen wichtigen Teil des Sprach-/Stimmbereiches. Das entlastet die beiden 10″-Konus-Tiefmitteltöner, die auf diese Weise nicht zu weit in den Mittenbereich gezogen werden und so in ihrer Kernfunktion als Tiefmitteltöner optimal arbeiten können. Der angewinkelte Einbau der beiden 10-Zöller spart auf der einen Seite etwas Gehäusebreite, was dem Ziel einer kompakten Gehäusebauform (Breite circa 70 cm) entgegenkommt, und ermöglicht gleichzeitig, die Konuslautsprecher etwas weiter an den Rand des Gehäuses zu versetzen.

Dieser konstruktive Trick macht etwas mehr Platz frei für eine größere Mundöffnung der Mittelhochtoneinheit und vergrößert gleichzeitig den Abstand der akustischen Zentren der Konuslautsprecher. Das wiederum bringt eine effektive Vergrößerung der Schallquelle bei gleicher Gehäusebreite und mithin eine verbesserte Richtwirkung bei tiefen Frequenzen. Die symmetrische Anordnung der Konuslautsprecher um die Mittelhochtoneinheit erfüllt auch von der Geometrie her in etwa die Bedingung einer echten d’Appolito-Anordnung, indem der Abstand der akustischen Zentren der Konussysteme kaum größer ist als 2/3 der Schallwellenlänge bei der Trennfrequenz zwischen Tiefmitten- und Mittelhochtonweg – hier 800Hz.

Auf diese Weise entsteht im Bereich der Trennfrequenz nur eine Hauptabstrahlkeule, so dass das Abstrahlverhalten des Tiefmitteltonweges ohne Nebenkeulen in dasjenige des Mittelhochtonweges übergeht, ohne dabei auf Richtwirkung im Tiefmittenbereich verzichten zu müssen. Mit diesem konstruktiven Kunstgriff erreicht man bei einem kompakten Line-Array-Element ein Maximum an Abstrahlkontrolle bei vorgegebener Breite des Arrayelementes. Auf diese Weise sind die Lautsprechersysteme, deren 10-Zöller bis hinunter zu 55Hz arbeiten, auch ohne Subbass-Unterstützung fullrangetauglich – was wiederum dem konzipierten Einsatzprofil sehr entgegenkommt.

Wie bereits erwähnt, erfolgt die Ansteuerung der Lautsprechersysteme nicht mehr aktiv mit integriertem DSP wie beim Vorbild HDL20, sondern über das vernetzte Signalverarbeitungssystem, das für die Signalverarbeitung und das Signalrouting im gesamten Innenbereich des Stadions zuständig ist. Demzufolge müssen auch alle lautsprecherinternen Systementzerrungen, die für einen linearen Betrieb des Lautsprechers erforderlich sind, von diesem externen Signalverarbeitungssystem übernommen werden.

Diese Nachbildung der ursprünglich integrierten Systementzerrung beziehungsweise aller Signalverarbeitungsfunktionen, die für die korrekte Ansteuerung der Komponenten der einzelnen Lautsprechersysteme erforderlich sind, wurde von RCF in Italien vorgenommen. Zu diesem Zweck wurde eines der später verbauten Signalverarbeitungssysteme inkl. Verstärker nach Italien geschickt, wo die erforderliche Ansteuerung der Lautsprechersystem im reflexionsarmen Raum des Herstellers erstellt und optimiert wurde.

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