Am 16. Januar 2020, also noch vor der Corona-Pandemie, wurde in der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg ein System für 3D-Audio und elektronische Raumakustik eingeweiht, das im Forum, der Hauptbühne der HfMT, installiert worden war, einem Saal, der auch für Lehr- und Veranstaltungszwecke genutzt wird. Es handelt sich um das Constellation-System des amerikanischen Herstellers Meyer Sound. Diese neue elektroakustische Ausstattung des Forums ist ein Teil (Stage_2.0) eines größeren Paketes von insgesamt fünfzehn Projekten, die im Rahmen einer Förderung als „Innovative Hochschule” möglich wurden. Zur Einweihung waren unter anderem auch der Projektleiter des Planungsbüros, der Constellation Project Director und der Geschäftsführer der Installationsfirma gekommen, so dass wir nicht nur im Rahmen der verschiedensten Aufführungen aus dem Programm der Einweihungsfeier einen eigenen Höreindruck von den Möglichkeiten des Systems bekommen, sondern auch ein ausführliches Gespräch über die Technik führen konnten.

Die Raumakustik im Forum, der Hauptbühne der HfMT, war bereits seit Jahrzehnten Gegenstand der Kritik gewesen. Verschiedene Bühnenformate im Repertoire eines Multisparten-Theaters bedürfen ganz unterschiedlicher raumakustischer Qualitäten. An die Qualität der Raumakustik in der nach Elbphilharmonie, Oper und Laeiszhalle wichtigsten Konzertspielstätte Hamburgs werden zunehmend hohe Maßstäbe angelegt. Zudem war auch die Ausstattung des Raumes mit zwei über der Bühne geflogenen Lautsprechersystemen nicht mehr ganz zeitgemäß, denn immerhin ist das Thema “Immersive Beschallung” bzw. “Spatial Audio” in aller Munde.

Mit der Förderung als „Innovative Hochschule” wurde nun eine Verbesserung der Raumakustik auf elektroakustischem Wege ein erreichbares Ziel. Tatsächlich ist diese Installation das umfangreichste Teilprojekt eines Paketes von insgesamt 15 Bestandteilen des Projektes “Stage 2.0”, das über einen Zeitraum von fünf Jahren läuft. Dazu gehört auch, um nur ein weiteres Projekt zu nennen, das Innovationslabor, das neue interaktive Bühnenformate entwickeln soll, etwa mit Sensorsystemen mit denen sich Video und Soundeffekte steuern lassen bis hin zu den neuen hybriden Musikinstrumenten.
Der Wunsch nach einer flexiblen Beeinflussung der Raumakustik ist eigentlich schon alt, so Prof. Dr. Georg Hajdu, Professor für multimediale Komposition an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Schon von Beginn an war der Einsatz eines elektronischen Raumakustik-Systems vorgesehen. In den achtziger Jahren soll dem Vernehmen nach ein Philips-System im Gespräch gewesen sein, das angedachte Projekt war aber dann wohl mangels passendem Budget nicht realisiert worden. Zwischenzeitlich wurde ein akustisch/mechanisches System eingebaut – variable Raumakustik also – das aber die Probleme des Raums nicht beseitigen konnte.

Generell leidet die Bespielung des Raums in akustischer Hinsicht darunter, dass man hier ein Mehr-Sparten-Profil hat – es gibt Nutzungen in den Bereichen Sprechtheater, Vorträge, Oper, Orchester, Kammermusik, Jazz, Neue Musik, elektronische Musik, Multimedia-Konzerte und weitere. Der Saal kann also gar keine optimale Akustik für all diese unterschiedlichen Anforderungen aufweisen, so dass bisher eigentlich immer eine Kompromiss-Situation bestand.

Im Laufe der Jahre, so Prof. Hajdu, habe er auch von dem Constellation-System von Meyer Sound gehört. Er sei um 2010 zum ersten Mal mit einer solchen virtuellen Akustik in Berührung gekommen und war interessiert, speziell deswegen, weil er das System als sehr natürlich klingend erlebt hatte. Entsprechend wird jetzt mit der an der HfMT realisierten Constellation-Installation und der Möglichkeit, verschiedene virtuelle Raumakustiken zu realisieren, natürlich auch ein Traum von Multimedia-Komponisten und Künstlern wahr, die nun auch räumliche Eigenschaften von Schallquellen und die Akustik des Raums in ihre Produktionen einbinden können.

Den Auftrag für die Planung der Raum- und Elektroakustik erhielt das Planungsbüro Graner + Partner aus Bergisch Gladbach unter der Projektleitung von Dominik Schenke. Die Installation wurde ausgeführt von der Aveo Konferenzsysteme GmbH aus Wolfegg. Das Constellation-System sowie die dafür erforderlichen Lautsprecher und Mikrofone kamen vom amerikanischen Hersteller Meyer Sound. Constellation Project Director John Pellowe unterstützte das Projekt bei der Planung, Einmessung und Inbetriebnahme.

Meyer Sound Constellation

Das Constellation-System von Meyer Sound ist im Prinzip ein vielkanaliges System zur Audio-Signalverarbeitung, das über seine Ausspielwege Zugriff auf zahlreiche im Raum installierte Lautsprechersysteme hat. Bei den Lautsprechern handelt es sich normalerweise um speziell für die Constellation-Anwendung installierte Systeme, es können aber auch traditionelle Lautsprechersysteme, wie zum Beispiel eine klassische Portalbeschallung, eingebunden werden.
Die im Constellation-System implementierten Algorithmen sind in der Lage, verschiedene Funktionalitäten bei der elektroakustischen Versorgung des Raumes zu realisieren. Dazu gehört zum Beispiel, virtuelle Klangquellen aus (fast) beliebigen Raumrichtungen einzuspielen sowie eine elektroakustische Beeinflussung der Raumakustik. Beide Funktionalitäten wurden auch im Constellation-System für die Hochschule für Musik und Theater realisiert.

 

Raumakustische Randbedingungen

Vor Beginn des Projektes hatte der Saal eine Nachhallzeit von rund 1,3 Sekunden mit einer deutlichen Überhöhung bei mittleren Frequenzen, was dem Raumklang eine unschöne metallische Färbung verlieh. Um die Grundakustik des Saals zu verbessern und optimale Randbedingungen für den Einsatz des elektronisches Akustiksystems zu schaffen, wurden deshalb nach Planung durch Graner+Partner akustische Maßnahmen installiert, die genau diesen störenden Frequenzbereich bedämpfen.

Im Ergebnis hat der Saal nun ohne weitere Maßnahmen eine Nachhallzeit von rund 0,9 Sekunden. Mit dem Nachhallzeit-Verlängerungssystem, das Teil des Constellation Systems ist, kann diese Nachhallzeit bis auf ca. zwei Sekunden und mehr verlängert werden. Zwei Sekunden wären in etwa der Wert, den man üblicherweise für ein Symphoniekonzert einstellen würde. Das System kann allerdings auch noch deutlich längere Nachhallzeiten erzeugen. Das geht dann allerdings mehr in Richtung Effekt, weil mit so langen Nachhallzeiten der akustische und der visuelle Eindruck nicht mehr zusammenpasst. Diese Diskrepanz würde in der Folge vom Publikum als unnatürlich empfunden: Man sieht einen Theatersaal mit gepolsterten Stühlen und Vorhängen – dazu passt einfach keine Kirchenakustik. Man kann so etwas natürlich auch dramaturgisch als Effekt nutzen, aber in dem Bereich, wo es wirklich realistisch und natürlich wirken soll, bewegt man sich in diesem Raum eher zwischen 0,9s und 2,2s.
Im Prinzip hätte man natürlich versuchen können, so Dominik Schenke vom Planungsbüro Graner+Partner, durch akustische Bedämpfung die Nachhallzeit noch unter einen Wert von 0,9s zu senken. Allerdings hat man das bewusst nicht gemacht, weil vermieden werden sollte, dass der Raum ohne die Anlage gar nicht mehr richtig nutzbar ist. Der Raum sollte also bewusst, auch wenn die Anlage ausgeschaltet ist, noch eine gewisse Lebendigkeit haben, sodass man nicht das Gefühl hat, sich in einem reflexionsarmen Raum zu befinden.

Anmerkung dazu: Mit einem stark bedämpften Raum könnte man zwar im Prinzip die akustische Situation im Freien simulieren und das ggf. auch künstlerisch für eine Aufführung/Performance nutzen. In Hörspielstudios wird das zum Beispiel gemacht, und bei einer reinen Audioproduktion funktioniert das dann auch. Wenn allerdings visuelle Eindrücke hinzukommen, zeigt die Erfahrung z.B. mit reflexionsarmen Räumen, dass auch eine – gemessen am visuell wahrnehmbaren Raum – zu stark bedämpfte Akustik ebenfalls als unnatürlich oder sogar bedrückend wahrgenommen wird.

3D-Audio

Die Beeinflussung der Raumakustik ist nur ein Teilaspekt des Constellation-Systems. Unabhängig davon bietet es auch die Möglichkeit, beliebig Klänge über die insgesamt 142 Lautsprecher in den Raum einzuspielen. Man kann also virtuelle Klangquellen frei im Raum platzieren beziehungsweise bewegen (Spatialization). Das System erlaubt es, bis zu 96 virtuelle Schallquellen zu generieren und frei zu bewegen. Diese Möglichkeit kann man natürlich nutzen, um ganz neuartige musikalisch-akustische Multimedia-Erlebnisse zu realisieren. Wenn man das kompositorisch bzw. in der Aufführungspraxis umsetzt, bietet die Möglichkeit einer solchen immersiven Beschallung in Kombination mit der virtuellen Raumakustik natürlich auch ein musikalisches Erleben, das bis dato in vergleichbarer Form nicht möglich war.
Da das Constellation-System sozusagen die übergeordnete Instanz ist, die alle Lautsprecher verwaltet und auf dieser Basis virtuelle Schallquellen erzeugen kann, wäre es z.B. auch denkbar, multimediale Werke zu realisieren, die räumliche Faktoren mit einbeziehen und beispielsweise im Ambisonics-Format über die Lautsprecherinstallation eingespielt werden könnten.
Tatsächlich war es eine von vornherein klare Anforderung, diese beiden Nutzungsarten auch beliebig kombinieren zu können – zum einen also eine variable Raumakustik zu haben und zum anderen das System, bei Bedarf auch zeitgleich, als ein 3D-Audiosystem verwenden zu können.

Technisch wurde der Zugriff auf das 3D-Audiosystem so gelöst, dass es 96 Inputs über MADI gibt, die man nutzen kann, um Audiosignale einzuspeisen, die man dann als Klangobjekte im Raum positionieren kann. Dazu kann man entweder den systeminternen 3D-Audio-Renderer verwenden, oder alternativ auch mit einem externen Rendering-System die Anlage anfahren und auf diese Weise Signale auf die Lautsprecher ausspielen. So könnte man im Prinzip beispielsweise auch einen Dolby Atmos Renderer benutzen, obwohl die Lautsprecheranlage natürlich kein zertifiziertes Dolby Atmos System ist.

 

Die Fotos in diesem Beitrag und für die Panoramaansichten entstanden vor dem ersten Corona-Lockdown

Raumakustikbeeinflussung

Das elektronische System zur Beeinflussung der Raumakustik, eben auch zur Veränderung der Nachhallzeit, ist so ausgelegt, dass auch Quellen im erweiterten Bühnenbereich verarbeitet werden. Mit den vorhandenen Hubpodien kann man beispielsweise auch einen Orchestergraben realisieren, es können darüber hinaus auch Quellen im Vorbühnenbereich vorkommen.

Das Grundkonzept der Raumakustikbeeinflussung hat zum Ziel, dass sich der Saal auch mit Beeinflussung wie ein natürlicher Saal verhält, sich also die Nachhallzeitverlängerung auf Bühne, Vorbühne und Orchestergraben sowie auch auf den Publikumsbereich erstreckt. Da der Saal auch für experimentelle Formate genutzt werden könnte, wäre es also beispielsweise möglich, die Bespielung des Saals umzukehren, also etwa einen Chor im Zuschauerraum und die Zuschauer auf einer im Bühnenbereich errichteten Tribüne zu platzieren. Akustisch würde das ebenfalls funktionieren.

Beeinflussung des Nachhallfeldes

Die Nachhallzeit ist ein Maß dafür, wie schnell die Schallenergie im diffusen Nachhall(schall)feld abklingt. Bei einer zu kurzen Nachhallzeit wird dem Nachhallfeld durch zu starke Absorption an den Raumbegrenzungsflächen zu viel Schallenergie entzogen, Schall im Raum klingt dann zu schnell ab. Das ist ungünstig für konzertante Musik, die für einen guten Klang je nach Musikstil Nachhallzeiten zwischen 1,8s und 2,2s erfordert. Da das Nachhallfeld ein diffuses Schallfeld ist, kann man die zu starke Schallabsorption im Prinzip durch Einbringen von Schallenergie ins diffuse Schallfeld wieder ausgleichen. Da das letztendlich den Effekt zu starker, gebauter Schallabsorption ausgleicht, hört man im Zusammenhang damit gelegentlich auch den Begriff “negative Absorption”.

Dieses Einbringen von Schallenergie kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass man im Nachhallfeld Mikrofone anordnet und deren Signal in geeignet aufbereiteter Weise über Lautsprecher wieder abstrahlt, die sich in ausreichender Entfernung zum Mikrofon befinden. Ein solches System wird regenerativ genannt und hat den Vorteil, dass es im Prinzip nur die zu schnell absorbierte Schallenergie dem Saal wieder zuführt, so dass das System gleichermaßen für Schall aus dem Publikum wie für Schall von der Bühne funktioniert. Der Saalklang bleibt dadurch natürlich und authentisch, wenn man die Nachhallzeitverlängerung nicht übertreibt. Bei übertriebener Einspeisung von Schallenergie mit einem regenerativen System steigt allerdings naturgemäß die Rückkopplungsgefahr und damit auch die Gefahr von Klangverfärbungen kurz vor der Rückkopplungsgrenze. Daher muss die Schleifenverstärkung entsprechend niedrig (ca. -20dB) gehalten werden, so dass der einzelne Kanal nur ca. 1% Verlängerung der Nachhallzeit bringt. Bei solch einfachen, regenerativen Systemen benötigt man daher relativ viele Kanäle.

Das Constellation-System von Meyer Sound geht daher noch einen Schritt weiter und speist nicht einfach die Mikrofonsignale wieder über die Lautsprecher in den Raum ein, sondern führt zusätzlich eine Matrizierung und zusätzliche digitale Bearbeitung der Signale durch. Das rein akustische Äquivalent dieser Signalverarbeitungsarchitektur wäre ein zweiter Raum (Hallraum), der an den Saal mehr oder weniger stark akustisch angekoppelt ist. Während so etwas in “gebauter Raumakustik” sehr aufwändig und unflexibel wäre, ist im elektronischen Gegenstück die akustische Wirkung über die Stärke der Ankopplung und die Nachhallzeit des angekoppelten Raums in weiten Grenzen beeinflussbar. Insbesondere kann auch die Nachhallzeit ohne Veränderung der Schleifenverstärkung verändert werden, so dass bei längeren Nachhallzeiten nicht die Gefahr von Klangveränderungen durch rückkopplungsnahen Betrieb gegeben ist.

Beeinflussung früher Reflexionen

Als zweite wichtige, raumakustische Komponente tragen frühe, schalldruckstarke Reflexionen hörbar zur wahrgenommenen Räumlichkeit bei. Sie werden vor allem von den Seitenwänden in der vorderen Saalhälfte erzeugt, die Schallenergie von der Bühne idealerweise ins Publikum leiten sollten. Dazu tragen oft auch Winkelspiegelstrukturen bei, wie man sie an den seitlichen Balkonen und Galerien mancher Konzerthäuser findet.
Viele Säle haben allerdings einen eher keilförmigen Grundriss, so dass die Schallenergie der frühen Reflexionen zu einem großen Teil nach hinten und somit zu einem geringeren Teil ins Publikum geleitet wird – ein Qualitätsverlust vor allem für die Plätze in der Saalmitte ist die Folge.

Bei einer elektronischen Beeinflussung geht es in der Regel darum, zu schwach ausgeprägte frühe Reflexionen durch geeignete Maßnahmen zu ergänzen. Da es sich bei den frühen Reflexionen nicht einfach um Schallenergie in einem diffusen Schallfeld handelt, sondern um Signalanteile, die noch stark mit dem Direktschall korreliert sind, ist eine Ergänzung mittels der Mikrofonsignale des regenerativen Systems zur Nachhallzeitverlängerung nicht möglich.
Vielmehr muss für eine Ergänzung der frühen Reflexionen Direktschall aus dem Bühnenbereich herangezogen werden. Diese Direktschallsignale werden mit geeigneten Verfahren aufbereitet und über Lautsprecher in den Bereichen vor allem der vorderen Seitenwände dem natürlichen Schallfeld hinzugefügt, dort, wo auch die natürlichen Reflexionen entstehen. Zusammen mit einem geeigneten Algorithmus zur Signalaufbereitung und einer auf den Saal zugeschnittenen Einmessung des Systems kann man so sicherstellen, dass die Lautsprechersignale als Teil der natürlichen Reflexionsstruktur gehört werden.
In der Hamburger Installation werden insgesamt 48 DPA-Mikrofone zur Aufnahme der Signale für das Raumakustiksystem genutzt. An Mikrofonen wurden drei verschiedene Typen verbaut, und zwar Nierenmikrofone CONSTEL 4011ER über der Bühne abgehängt, CONSTEL 4017C Mini Shotgun Mikrofone über dem Bühnenportal sowie Mini-Nierenmikrofone CONSTEL SC4098 über Vorderbühne und Zuschauerraum abgehängt. Die Mini-Nierenmikrofone sind mit bloßem Auge kaum auszumachen.

Konzeption der raumakustischen Maßnahmen

Ein wichtiger Aspekt bei der Planung einer variablen Raumakustik ist der Grundgedanke, mit dem Raumakustiksystem möglichst nur solche raumakustische Konstellationen zu erzeugen, die sich nicht zu weit von dem entfernen, was auch mit traditioneller, “gebauter Akustik” in diesem Saal möglich wäre. Diese Grundvoraussetzung stellt sicher, dass die Raumakustik im Saal unabhängig vom Betriebszustand des Systems authentisch und glaubwürdig bleibt. Für experimentelle Zwecke, wie sie an einer Hochschule durchaus vorkommen können, kann man natürlich auch an exotischere Konfigurationen denken. Es muss dann aber klar sein, dass beispielsweise ein “Kathedralenhall” in einem Theatersaal nicht natürlich klingen wird, weil dies nicht die natürliche Akustik des Saals sein kann.

 

Lautsprecher, Signalverarbeitung

Damit das 3D-Audiosystem und die elektronische Beeinflussung der Raumakustik funktionieren kann, benötigt das Constellation-System eine gewisse Anzahl Lautsprecher, die auf den Raumbegrenzungsflächen verteilt installiert sind. Für das Raumakustiksystem ist eine größere Anzahl von Lautsprechern sinnvoll, damit der regenerative Nachhallzeitverlängerungsalgorithmus gut arbeiten kann und damit eine gute Diffusität der elektroakustisch zugeführten Schallenergie erreicht wird. Für das 3D-Audiosystem ist eine größere Anzahl von im Raum verteilten Lautsprechern nützlich, weil dadurch die räumliche Auflösung und Definition der virtuellen Schallquellen verbessert wird.

Für die Hamburger Installation setzte das Planungsteam zwar je nach Mon­tageort Lautsprecher unterschiedlichen Typs ein, jedoch alle aus dem Programm von Meyer Sound, um die bereits angesprochene klangliche Konsistenz zu wahren. Darüber hinaus sind diese kompakteren Systeme so designt, dass sie klanglich auch zu größeren Systemen kompatibel sind. Das ist auch im vorliegenden Fall interessant, weil die klassische PA-Beschallung aus zwei Line-Arrays mit in das Constellation-System eingebunden wurde.

 

Die PA basiert auf einem LINA Line-Array mit je 7 Modulen pro Seite. (Foto: David Matthiessen Fotografie)

Dieses System besteht aus einem LINA Line-Array Lautsprechersystem mit je 7 Modulen pro Seite als Main, je Seite ein geflogener 750-LFC und zwei mobile Stacks mit je einem 900-LFC Compact Low-Frequency Control Element sowie einer UPJ-1P Compact VariO Loudspeaker als Center Fill. Sechs MM-4XPD self-powered Miniature Wide-Range Lautsprecher fungieren als Frontfill. Ein Galileo GALAXY 816 Lautsprecher Management System ist für die Ansteuerung, das Processing und für das Time Alignment zuständig.

 

Deckenansicht über den letzten Sitzreihen im Zuschauerbereich. Die sehr kompakten Meyer Sound MM-4 Lautsprecher sind abwechselnd mit den Deckenstrahlern in die Decke integriert.

Für das Constellation-System wurden insgesamt 142 Lautsprecher von Meyer Sound verbaut, und zwar 38 MM-4XP, 24 UPM-1XP Ultra-Compact Wide Coverage Lautsprecher sowie 50 UP-4XP Ultra-Compact Lautsprecher und 20 MM-10XP Miniature Subwoofer. Im Bühnenbereich wurden zehn UPJunior XP UltraCompact VariO Lautsprecher verwendet.
Generell ist sowohl die Mikrofon-, als auch die Lautsprecherinstallation so ausgeführt, dass man von installierten Systemen kaum etwas zu sehen bekommt. Lautsprecher an den Wandflächen sind zum Teil auch hinter akustisch transparenten Stoffverkleidungen verborgen.

Blick in den Deckenbereich mit einigen der dort installierten Lautsprecher und Subwoofer. Durch die dunkle, fast schwarze Gestaltung von Decke und Lautsprechern sind diese kaum zu sehen und werden hier nur durch die Bildbearbeitung sichtbar.

Das Constellation-System erlaubt natürlich auch eine kontinuierliche Bewegung von virtuellen Schallquellen, indem es geeignete Interpolationsalgorithmen wie etwa VBAP (Vector Base Amplitude Panning) benutzt. Aber die Position bzw. Richtungsorientierung einer virtuellen Schallquelle ist auf jeden Fall dann sicher ortungsstabil, wenn man in der betreffenden Richtung auch einen realen Lautsprecher hat. Die Basis der hierfür erforderlichen Signalverarbeitung ist die digitale Audioplattform D-Mitri, in der vorliegenden Installation mit 22 Komponenten einschließlich mehrerer D-VRAS-Frames zur Bereitstellung der Raumakustik-Algorithmen.

 

Gestellschränke der neuen Audioanlage. Die Geräte mit den matt alufarbenen Fronten sind Processing- und I/O-Komponenten des D-Mitri- bzw. Constellation-Systems. (Foto: David Matthiessen Fotografie)

Im Allgemeinen wird eine virtuelle Schallquelle nicht von einem einzelnen Lautsprecher wiedergegeben, sondern dank der von Constellation eingesetzten Algorithmen normalerweise von mehreren. Das ist auch ganz gut so, denn bei einer etwas lauteren virtuellen Schallquelle müsste sonst ein einzelner Lautsprecher die gesamte Schallleistung aufbringen. Zudem ist es so einfacher, bei der Bewegung einer virtuellen Schallquelle über mehrere Lautsprecher hinweg eine klangliche Konsistenz zu erreichen, auch wenn zum Beispiel aufgrund der Montagemöglichkeiten oder der Größe Lautsprecher unterschiedlichen Typs eingesetzt werden müssen.

Steuerung

Das Grundsetup für die verschiedenen Presets wird von der Bühnentechnik über ein Touchpanel aufgerufen. Zur Frage der Steuerbarkeit der Akustik für dramaturgische Effekte ist zu sagen, dass verschiedenste akustische Szenarien als Presets eingerichtet wurden. Diese können natürlich auch für dramaturgische Zwecke innerhalb der Aufführung zum Beispiel eines Musikstücks abgefahren werden – so, wie man früher mechanische Veränderungen vorgenommen hat, nur eben jetzt mit moderneren Mitteln. Es bedarf halt der Anweisung des Künstlers, welche Nachhallzeit einzustellen ist.
Das heißt, man könnte sich vorstellen, es gäbe zum Beispiel eine Passage in einem Musikstück, die sehr intim, sehr direkt wirken soll – dann würde man eher einen trockenen Raum wählen. Dann könnte es vielleicht eine Stelle geben, an der die Zuhörer komplett umhüllt sein sollen, dann hätte man eben den großen, sehr voluminös klingenden Raum und kann das sozusagen dramaturgisch in einer Aufführung mit einbinden. So etwas wäre grundsätzlich möglich.
Perspektivisch wäre auch so etwas wie eine Time Code Automation denkbar, das müsste man sich von der Handhabung her vermutlich so ähnlich vorstellen wie bei einem Show-Control-System. Aus kompositorischer Sicht könnte sich da eventuell die Frage stellen, wie man so etwas dann in einer Partitur notiert. Technisch wäre das auch machbar.

Für die Nutzung des 3D-Audiosystems gibt es einmal die Audioschnittstellen für die Signale der einzelnen Klangobjekte sowie eine grafische Benutzeroberfläche für die Definition der akustischen Szene. Grundsätzlich wäre es auch möglich, beispielsweise eine Komposition in einem Ambisonics-Format höherer Ordnung zu erstellen, um dann die Produktion über eine eine entsprechende, im Constellation-System definierte, virtuelle Lautsprecherkonfiguration wiederzugeben.
Es gibt im Hause auch ein Wellenfeldsynthese-System, und zwar in einem ungefähr 60m² großen Raum, in dem die Studierenden auch ungestört Kompositionen erstellen können. Später wird es sicher auch Austauschformate geben, die es möglich machen, dass die Kompositionen auf das System im Saal portiert werden können, man dort also ein entsprechendes Hörerlebnis haben kann.

LED-Wand

Es hat zwar mit Akustik und Beschallung wenig zu tun, aber Teil des Projekts war auch eine große LED-Wand, die auch während der Einweihungsfeier genutzt wurde. Die LED-Wand wurde von ASC aus Hamburg geliefert und ist modular aufgebaut, das heißt, es muss nicht immer das maximale Bildformat genutzt werden, vielmehr kann man aus den Modulen auch kleinere Displayformate aufbauen. Da es an der HfMT auch multimediale Kompositionen und Produktionen gibt, ist die Einbindung der visuellen Komponente allerdings konsequent. Das maximale Bildformat ist so groß, dass – ähnlich wie im Kino – die Bildränder nicht dominant sind und so auch im Visuellen ein immersives Erleben möglich ist.

Zusammenfassung

Die neue elektroakustische Anlage für das Forum der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg wertet nicht nur die akustischen Qualitäten des Forums als Aufführungsstätte für Musik und Theater deutlich auf und eröffnet ganz neue kompositorische und aufführungstechnische Möglichkeiten im Rahmen der verschiedenen Ausbildungsgänge an der Hochschule. Mein persönlicher Eindruck war, dass sich hier auch eine neue Qualität von Beschallungssystemen abzeichnet, die sich sozusagen ganzheitlich um die akustischen und beschallungstechnischen Erfordernisse in einem Raum kümmert. Muss für eine bestimmte Aufführung die Nachhallzeit verändert werden? Welche Publikumsbereiche sind besetzt und sollen beschallt werden? Sollen Zuspielungen aus bestimmten Richtungen gehört oder bewegte Quellen auf der Bühne richtungsgetreu wiedergegeben werden?

Zukünftige Beschallungssysteme werden sich um all dies kümmern – einen Vorgeschmack darauf kann man sich jetzt in Hamburg anhören.