Interview mit Mira Wölfel, Show-Director der Prolight + Sound

(24. April 2023) Die zweite Prolight + Sound nach der Corona-Krise öffnet morgen ihre Tore. Corona hat, gerade in der Veranstaltungstechnik, viel gebremst, viel verändert und auch dazu angeregt, über neue Strategien nachzudenken – und sicher auch die Messelandschaft beeinflusst. Wir konnten kurz vor Beginn der Messe mit Mira Wölfel, Show-Director der Prolight+Sound, darüber sprechen, was uns auf der Prolight+Sound erwartet:

Prosound:

Hallo Frau Wölfel! Danke, dass Sie so kurz vor Messebeginn Zeit für ein Gespräch mit uns haben. Mich würde interessieren, was gibt es Neues auf der Prolight + Sound, vom Konzept der Veranstaltung her? Was ist für Sie am wichtigsten, am interessantesten?

Mira Wölfel:

Die Stimmung ist bombastisch – das können wir ohne Umschweife so sagen. Die Branche freut sich total, auch wir als Team der Prolight + Sound. Alles läuft nach Plan, und die Reisebeschränkungen, die im vergangenen Jahr noch einen Einfluss hatten, sind jetzt gottseidank kein Thema mehr. Wir hatten im letzten Jahr schon ein starkes Signal gesendet, das war die erste Messe für unsere Branche und auch die erste Messe hier am Standort Messe Frankfurt. Es war eine gelungene Messe, und wir hatten Besucher aus über 90 Nationen im letzten Jahr.

Man zählt natürlich immer erst am letzten Messetag – aber bisher sind die Reaktionen aus der Branche und das Interesse der Fachpresse gut. Wir wachsen auf jeden Fall und haben in diesem Jahr mehr Aussteller aus mehr Ländern und auch mehr Ausstellungsfläche als im letzten Jahr. Unsere Branche hat es verdient, eine gute internationale Messe am Standort Deutschland zu haben.

Zum Konzept: Unsere Branche hat in den letzten Jahren viel erlebt und viel Unsicherheit gehabt. Nach dem guten Start im letzten Jahr war mein Ziel, nicht viel am Konzept zu ändern, um Unsicherheiten in der Branche zu vermeiden. Die Messe im letzten Jahr war gut, auch wenn die Herausforderungen in manchen Branchensegmenten stärker waren als in anderen – es war aber allgemein eine gute Messe. Wir sind weiterhin die Heimat der Veranstaltungstechnik, und wir nehmen jede Produktgruppe oder Community auf, die gerade eine Heimat sucht oder entwickelt, und das ist auch weiterhin unsere Mission.

Wir haben allerdings im letzten Jahr auch zugehört: Was soll für unsere Aussteller und für unsere Besucher besser werden? Und die Besucher haben signalisiert, dass die Messe natürlich auch Spaß machen und Atmosphäre schaffen muss. Wenn man früher auf das Messeduo gekommen ist, hat man Musik gehört, und es gab auch abends noch Musikveranstaltungen. Das hat noch ein bisschen gefehlt im letzten Jahr.

Wir sind natürlich nach wie vor eine B2B-Messe, aber Musik und Spaß können wir auf einer B2B-Messe natürlich auch erleben. Wir haben zum Beispiel täglich die Live Sound Arena im Außenbereich und am Dienstagabend nach Messeschluss ein Community-Get-Together für Besucher und Aussteller gemeinsam. Anstelle des früheren Ausstellerabends also ein Community Abend, bei dem alle dabei sind.

Das ist ein Thema. Ein anderes Thema ist der Audiobereich, der nach wie vor eine wichtige Säule der Prolight + Sound ist. Es gibt viele und gute Aussteller aus dem Audiobereich, die im letzten Jahr da waren und jetzt auch wieder teilnehmen, wie etwa L-Acoustics, Meyer Sound und Kling & Freitag, um nur drei zu nennen. Sie kommen also wieder, und das ist auch eine Bestätigung für uns. Andere Firmen stellen (noch) nicht aus – das ist natürlich eine individuelle Entscheidung des jeweiligen Unternehmens.

Mir ist wichtig, dass Besucher, die ab Dienstag nach Frankfurt kommen, sagen: Es hat sich gelohnt. Auch im Audiobereich. Und dafür machen wir viel.
Erst einmal ist natürlich die Musikmesse weggefallen, was auch den Audiobereich beeinflusst, unter anderem, weil die musikinteressierten Endverbraucher nicht mehr in derselben Form vertreten sind.

Aber ich sage, mit dem Performance und Productions Hub haben wir ein Areal inszeniert,
das sich auch an die Pro-Musiker richtet. Und wir haben da auch Marken wieder für die Prolight + Sound gewonnen, die seit Jahren nicht mehr da waren – wie Ableton, wie Pioneer, DJ Pro und viele andere. Jetzt, wo wir eine Plattform für Pro-Musiker haben, kommen sie wieder. Das Areal ist gewachsen von 400m² auf 1000m². Wir kümmern uns auch um Themen für Musiker, für die es aktuell keine starke Messeplattform in Deutschland gibt. Diese versuchen wir jetzt wieder in Frankfurt zu etablieren und Synergien zu nutzen.

Wir haben jetzt auch zum ersten Mal eine Kooperation mit dem Verband deutscher Tonmeister (VDT) mit dem viertägigen ProAudio College [1] in Deutsch und Englisch. Das ist ein Schulungsprogramm mit Erteilung von Zertifikaten.

Die Live-Sound-Arena im Außenbereich ist ausgebucht, da haben wir in diesem Jahr neun Hersteller, die Ihre Beschallungsprodukte präsentieren. Auch die Silent Stage kommt dieses Jahr wieder. Wir haben also viele Angebote im Audiobereich, so dass Tontechniker und Musiker, die zur Prolight + Sound kommen, hinterher sagen können: Der Besuch hat sich für mich gelohnt.

Prosound:

Mit dem Future Walk und dem Kamera Hub setzen Sie ja auch neue Schwerpunkte in den Bereichen vernetzte Systeme und Broadcast, habe ich den Eindruck. Adressiert das auch so ein bisschen die Tatsache, dass auch in diesen Bereichen Leute dort neu einsteigen wollen und sich überlegen: Wie kann ich gut in dieses Segment reinkommen?

Mira Wölfel:

Beide Bereiche, der Future Walk und der Kamera Hub richten sich auch an die AV Media Community. Hintergrund ist u.a., dass uns Aussteller und Besucher sagen, dass sie eine Heimat in Deutschland brauchen. Wir haben eine internationale Messe in Europa, aber in Deutschland haben wir keine richtige Heimat.

Wie gesagt, ich höre immer zu, was die Community braucht, und bemühe mich, das zu entwickeln. Die Prolight + Sound ist seit vergangenem Jahr eine Stand-Alone-Veranstaltung: Das eröffnet auch neue Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Wir sind z.B. auch eine (internationale) Heimat für Theater geworden.

Die Broadcast-Firmen sagen auch: Es geht nicht allein um Kameras, es geht um Ton, Licht und Kameras. Wir haben alle Player hier am Standort und sie können gemeinsam zeigen, was sie können – Ton, Licht und Kameratechnik. Das gibt es auf internationalen Broadcast-Messen so nicht, sie sind zwar sehr Broadcast-affin, aber die Kombination gibt es so nicht. Deswegen sehe ich uns als Dach für die Themen, wir können sie bündeln und Formate anbieten, die es an anderen Standorten oder Messen nicht gibt.

Prosound:

Im Konzept der Prolight + Sound sehe ich auch einen starken Schwerpunkt für Leute, die in die Branche einsteigen, also junge Leute, die in der Branche arbeiten wollen. Stichworte: Future Hub und Future Talents Day. Was gibt es da alles?

Mira Wölfel:

Das Thema ist ein Herzenswunsch von mir. Wir haben momentan ja einen ausgeprägten Fachkräftemangel in der Branche, und wir müssen eine starke Antwort darauf haben. Wir müssen ein Konzept haben, auch wir als Live-Messe und Plattform der gesamten Community. Ich sehe es als meine Aufgabe an, mit an einer Lösung zu arbeiten.

Im letzten Jahr kamen von den rund 20.000 Prolight + Sound Besuchern ca. 1600 Interessierte auf der Suche nach neuer Orientierung, nach neuen Stellen oder überhaupt einer Stelle nach der Corona-Krise.
Das ist eine Menge. Das ist fast schon eine Messe in einer Messe, wie eine Jobbörse. Wir haben im letzten Jahr schon sechs oder sieben Firmen gehabt, die an Recruiting interessiert waren, und wir haben das in diesem Jahr mit dem Future Hub mit 13 Firmen ungefähr verdoppelt und bieten Firmen die Möglichkeit, mit einem kleinen Paket im Future Hub dabei zu sein, um Leute zu suchen und sich zu vernetzen.

Es gibt auch Firmen die sagen, wir brauchen nicht im Hub zu sein, weil wir einen größeren Stand für den Zweck machen. Das wären Firmen wie etwa Disney Cruise Line, Aida, Gahrens+Battermann oder Neumann & Müller.
Aber wir bieten den Firmen eben auch an, mit einem kleinen Paket im Future Hub dabei zu sein. Es geht darum, den Leuten zu sagen: Hallo, wir brauchen Sie als Fachkraft, unsere Branche ist sympathisch, unsere Branche ist flexibel. Unsere Branche ist keine reine Männerbranche und bedeutet nicht nur Arbeit an den Wochenenden und am Abend, sondern wir haben mehrere Modelle.

Es ist manchmal zu spät, die Leute anzusprechen, wenn sie mitten in der Ausbildung oder mit der Ausbildung schon fertig sind. Auch Firmen wie Waagner Biro haben mir gesagt, es ist auch sehr schwierig, Fachkräfte zu finden für den Maschinenbau und auch Ingenieure. Deswegen würde ich gern auch die Schüler und Studenten ansprechen, die noch nicht wissen, was sie in ein, zwei Jahren machen wollen, und ihnen zu sagen, warum es interessant und wichtig ist, für unsere Branche zu arbeiten. Also, wir fangen früh genug an und zeigen den Leuten rechtzeitig Möglichkeiten auf, in unserer Branche zu arbeiten, wenn sie fertig studiert oder ihre Ausbildung beendet haben – damit sie dann nicht in andere Branchen abwandern.

Mit dem Future Hub können wir Ihnen beispielsweise zeigen, wie es weitergehen kann in zwei Jahren und ihnen so auch Orientierung und die Motivation bieten, einen guten Abschluss zu machen – was natürlich hilft, das Problem des Fachkräftemangels zu lösen und frischen Wind in unserer Branche zu bringen.

Prosound:

Das heißt, auf die Messe kommen dann die Leute, die sowieso schon eine Affinität zur Branche haben – Events, Licht, Ton usw. – und die dann sagen, okay, ich mache mich auf der Messe noch mal schlau, was die Firmen interessiert, weil ich selber noch nicht so genau weiß, wohin es gehen soll. Ich will etwas in dieser Branche machen und wenn die Firmen sagen, wir brauchen Leute, die Technik oder die Event-Organisation machen, dann kann ich gezielt meine Ausbildung darauf ausrichten.

Das Thema Frauen hatten sie ja schon angesprochen. Da gibt es ja auch spezielle Angebote auf der Prolight + Sound. Ich habe es selber auch schon in Gesprächen erlebt, dass z.B. Schülerinnen, die bald mit der Schule fertig sind, im Prinzip Interesse haben, aber denken, vielleicht bin ich in dieser Branche irgendwie verkehrt. Ich glaube, da braucht man wirklich auch die Information: Nein, es ist interessant, Du kannst in der Branche arbeiten, und mit der richtigen Qualifikation – die Du jetzt steuern kannst – kannst Du auch was werden in der Branche.

Mira Wölfel:

Also, man kann natürlich auf die Prolight + Sound gehen und gucken, was ist interessant, was würde ich gerne machen? Aber ich brauche mir keine Zahlen anzusehen, um zu wissen, dass unsere Branche noch vorwiegend eine Männerbranche ist. Der allgemeine Eindruck ist, dass Frauen, die in der Entertainment-Technology-Industrie arbeiten, verstärkt in Bereichen wie Marketing und Organisation tätig sind. Wir möchten gemeinsam mit der Branche Überzeugungsarbeit leisten, um mehr Frauen als bisher für eine Tätigkeit in technischen Gewerken zu begeistern. Und es kommt dazu, dass die Technik nicht allein aus schwarzen Kisten und Lampen besteht, sondern dass bei alledem sehr viel Kreativität im Spiel ist. Und ich denke, dass viele Frauen vielleicht in unserer Branche nicht arbeiten, weil sie sie in ihrer Breite und Vielfalt nicht kennen, und deshalb sollten wir Ihnen eben zeigen, was die Arbeit in unserer Branche ausmacht.

Deshalb sagen wir nicht nur: “Kommt zur Prolight + Sound!”, sondern wir machen auch Stationen und zeigen, was sich “behind the scenes” abspielt – ein bisschen so, wie man das bei der Koch/Köchinnen-Ausbildung macht. Wir machen mit dem Performance + Production Hub eine Tour und bauen eine Bühne vor Ort, damit die Leute erleben können, dass Musik nicht nur ein Hobby, sondern auch ein Beruf sein kann – und Du kannst einsteigen.

Drei Räume weiter zeigen wir mit dem VDT Lösungen, wie man in seinem Keller Musik produzieren kann, und zwar auch hochwertig und mit überschaubaren Mitteln. Vielleicht denken Leute, die eigentlich sehr interessiert sind: “Ich bin nicht professionell genug, es reicht vielleicht für TikTok, aber nicht mehr”. Wir wollen ihnen sagen: “Du bist es wert, und Du kannst es, Du musst nur wissen, wie”.

Prosound:

Also, mit der Prolight + Sound setzen Sie auch gezielt Schwerpunkte darin, bei Jugendlichen frühzeitig das Interesse für eine berufliche Zukunft in der Branche zu wecken, entsprechende Ausbildungswege zu fördern und parallel auch Lösungen für den ganz aktuellen Fachkräftemangel in der Branche zu anzubieten.

Mira Wölfel:

Ganz genau, wir setzen zum Beispiel mit dem Career Center in der Halle 11 – wie schon angesprochen – darauf, dass Veranstaltungstechnikfirmen und Firmen wie Disney Cruise Lines, aber auch Hersteller wie Coda Audio, die Prolight + Sound auch als Plattform für Vernetzung mit den Leuten in der Branche nutzen

Prosound:

Das ist alles sehr spannend. Wir danken für das Gespräch und wünschen viel Erfolg für die Prolight + Sound!

[1] Zum ProAudio College:

Schwerpunkte des Vortragsprogramms sind aktuelle Trends in der Beschallungsszene, Innovationen rund um Home-Studio-Produktionen sowie exklusive Schulungsmodule aus dem SQQ7-Curriculum.

Das Themenspektrum des ProAudio College gliedert sich in vier Stränge:

Zum einen das Curriculum des Bildungsstandards SQQ7. Dieser wurde von einer breit aufgestellten Arbeitsgruppe unter der Leitung des VDT entwickelt, definiert Lernziele für die Weiterbildung zur “geprüften Tonspezialist:in” und richtet sich an alle Fachkräfte für Veranstaltungstechnik, die sich in Richtung Ton weiter spezialisieren möchten.

SQQ7 wurde auf der Prolight + Sound 2022 vom VDT und der Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft vorgestellt und beinhaltet u.a. Schwerpunkte wie Hörtraining, physikalische Grundlagen der Akustik, Signalquellen und Signalverarbeitung, Netzwerktechnik und Intercom-Systeme.

Aktuelle Aufgaben in der Beschallungsszene stehen im zweiten Themenstrang auf der Agenda. Wie kann man eine gute Beschallung in einem anspruchsvollen Raum realisieren? Worauf sollte ein Beschallungsneuling besonders achten? Was sind die neuesten Entwicklungen in der Branche?

Im dritten Themenbereich geht es um Produktionen in Heim- und Projektstudios. Hier geht es um die wichtigen Kernfragen, die sich jedem Studiobetreiber bei Produktionen stellen.

Der vierte Strang beschäftigt sich mit der beruflichen Zukunftsplanung und gibt Tipps für Berufseinsteiger

Die Teilnehmer erhalten eine schriftliche Bestätigung über das erworbene Wissen.
Die Vorträge werden teilweise in deutscher und teilweise in englischer Sprache gehalten.